
Die Menschheit steht nach meiner Meinung an einem Scheideweg:
Ich schließe mich der Wachstumskritik an, dass die einseitige Ausrichtung der Wirtschaftssysteme und Finanzsysteme der G20 auf das Wachstum ihres „Wohlstands“ (= Regelgröße) bereits zur Überschreitung der meisten planetaren "Grenzen des Wachstums" geführt hat. Die Naturgesetze lassen den verursachenden Zivilisationen nur noch wenig Zeit über einen Richtungswechsel, und damit ihre eigene Weiterentwicklung (Transformation) selbst zu bestimmen, oder es in einem Worst Case-Szenario zu einem (multiplen) Zivilisationskollaps kommen zu lassen, in dem sogar das Ende der Menschheit real wird.

Nach meinen Beobachtungen nehmen daher in den G20 - teilweise unterschiedliche - Transformationsaktivitäten, und damit der Wandel, dynamisch zu. Die weitere Entwicklung ihrer Zivilisationen sind auf die 17 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (englisch Sustainable Development Goals, abgekürzt SDGs) ausgerichtet. Das weitere Wachstum dieser Zivilisationen muss daher - nach meinen Überlegungen – in Verbindung mit den SDGs zudem auf die Regelgröße „Wohlbefinden“ (englisch well-being) ausgerichtet werden.
Die Ziele des sogenannten „Green Deals“ der Europäischen Union verstehe ich so, dass auf Grund seiner Verknüpfung mit den 17 UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung die für die Erreichung notwendigen technischen, sozialen bzw. politischen und wirtschaftlichen Innovationen der kommenden Jahre und Jahrzehnte kausal auf eine positive Korrelation von (materiellem) Wohlstand und Wohlbefinden ausgerichtet sind. Diese Innovationen sollen zu einem ressourcenschonenden bzw. ressourcenentkoppelten Wachstum unseres (materiellen) Wohlstands beitragen.

Mit dem in ihrer Präambel der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Motiv "Einheit in der Vielheit und die Vielheit in der Einheit" bekennen sich die EU-Mitgliedsstaaten meiner Meinung nach bereits auf ihrer erreichten zivilisatorischen Entwicklungsstufe zum Streben nach Wohlbefinden. Denn meiner Ansicht nach reflektiert dieses Motiv das Verständnis, nachdem die Natur bei allen Menschen das Streben nach Wohlbefinden-orientierter Selbstwerdung (Individuation) bereits eingebaut hat. Ein vergleichbares Verständnis wurde schon früher durch die Aufnahme des „Strebens nach Glück“ (englisch „Pursuit of Happiness“) als originäres, individuelles Freiheitsrecht in die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika ausgedrückt.
Zeitgleich findet meiner Meinung nach, während sich die „Welt im Wandel“ befindet, ein zwischen- und innerstaatlicher Wettbewerb der Herrschaftsformen statt. In der derzeitigen Ausgangslage treten die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union im globalen Wettbewerb mit der Herrschaftsform Demokratie an.
In unserer europäischen Demokratie muss meiner Meinung nach am Scheideweg angekommen weiterhin unsere Mittelschicht und ihre zukünftigen Generationen als die tragende und stabilisierende gesellschaftliche Kraft - und somit verantwortlicher "Transmissionsriemen" für die selbstbestimmte Transformation - den entscheidenden Transformationsbeitrag selbst leisten. Eine ausreichende demokratische Mehrheit der Angehörigen unserer Mittelschicht und ihrer zukünftigen Generationen müssen die persönliche und gesellschaftliche Veränderung der Steuerung nach der Regelgröße subjektives Wohlbefinden bzw. „Wohlbefinden“ selbst bestimmen, um die Existenz und die Bedeutung unserer Bevölkerungsgruppe als eine tragende und stabilisierende gesellschaftliche Kraft zu rechtfertigen und zu sichern.
Gegenwärtig steckt aber meiner Meinung nach unsere Mittelschicht und ihre zukünftigen Generationen während des Wandels und des einhergehenden Transformationswettbewerbs in großen Herausforderungen, welches ihr die Ausübung ihrer Funktion als "Transmissionsriemen" erschwert:
1. Mangelnde Orientierung als Herausforderung für den "Transmissionsriemen Mittelschicht"
Das subjektive Wohlbefinden eines Menschen hängt nach Auffassung von Experten im Wesentlichen von der Verwirklichung seiner Freiheiten und Wahlmöglichkeiten zur Wohlbefinden-orientierten Selbstwerdung (Individuation) ab.
Die bisher erreichte Entwicklungsstufe unserer Zivilisation in der Europäischen Union führt meines Erachtens dazu, dass für Angehörige unserer Mittelschichtund ihren zukünftigen Generationen einerseits ...
1. die Freiheiten für die Wohlbefinden-orientierte Selbstwerdung (Individuation) auf einen bisherigen Höchststand gewachsen sind (Bsp. die Freiheiten zum Wechsel des Arbeitgebers bzw. der Aufgaben/Funktionen, von sozialen Beziehungen oder der Arbeits- oder Aufenthaltsorte durch die ausgeweitete Freizügigkeit für Bürger*innen sind gestiegen)
2. die Wahlmöglichkeiten für die Wohlbefinden-orientierte Selbstwerdung (Individuation) auf einen bisherigen Höchststand gewachsen sind (z.B. die Wahlmöglichkeiten für Schule, Beruf oder Fort- und Weiterbildung, der Zugang zu Wissen, die Transparenz und Vergleichbarkeit von Angeboten mittels Internet und sozialen Medien sind gestiegen)
3. die neuen Orientierungsmöglichkeiten bzw. -hilfen für die Wohlbefinden-orientierte Selbstwerdung (Individuation) auf einen bisherigen Höchststand gewachsen sind (z.B. die Angebote für Lebensberatung, Coaching, Therapien, Vorbilder, neue Kirchen und Glaubensgemeinschaften etc. sind gestiegen) bzw. die traditionellen Orientierungshilfen (z.B. traditionelle Kirchen, Parteien, Vertrauenspersonen) auf einen Tiefststand gesunken sind.
Die Entfremdung vieler Menschen in den G20 zu sich selbst – im Sinne einer Selbstentfremdung –, zu ihren Mitmenschen, zur Natur, zu ihrer Arbeit oder dem Produkt ihrer Arbeit, und zu den Führenden in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, ist schon so weit vorangeschritten, dass ein in demokratischen Staaten erforderlicher, konzertierter Kurswechsel immer schwieriger wird.

Andererseits führen der globale Transformationswettbewerb und die erreichte Entwicklungsstufe der europäischen Zivilisation zu einem bisherigen Höchststand an Volatilität, Komplexität, Unsicherheit und Mehrdeutigkeiten (englisch abgekürzt "VUCA") im Lebensumfeld von Menschen in der Europäischen Union. Die Schnelligkeit und Unvorhersehbarkeit des Wandels führt zunehmend zu einer nicht ausreichenden Orientierung (mental), die die Menschen Bedrohung und Angst (z.B. vor Wohlstandsverlust, fehlende Zugehörigkeit) fühlen lassen bzw. sie verbinden gefühlsmäßig mit dem Wandel einen Rückgang ihres subjektiven Wohlbefindens. Dies führt nach meinen Beobachtungen zu einer wachsenden Ablehnung der notwendigen Transformation und des damit verbundenen Wettbewerbs durch eine zunehmende Anzahl von Menschen unserer Mittelschichtund ihrer zukünftigen Generationen.

Wir befinden uns damit meiner Meinung nach in der gesellschaftlichen Herausforderung, dass sowohl Einzelne als auch eine politische Mehrheit unserer Mittelschicht und ihrer zukünftigen Generationen am Scheideweg angekommen, auf Grund einer nicht ausreichenden Orientierung (mental) ihren entscheidenden Transformationsbeitrag als „Transmissionsriemen“ für den Wandel nicht leisten können bzw. wollen. Und dies obwohl frühere und gegenwärtige Generationen der Mittelschicht mit dem Wiederaufbau nach dem II. Weltkrieg in Europa und mit ihren Leistungen im Zuge der Wiedervereinigung von Deutschland mit den erreichten Höchstständen von Wohlstand sowie von Freiheiten und Wahlmöglichkeiten für ein Wachstum sowohl des subjektiven Wohlbefindens als auch gesellschaftlichen Wohlbefindens in der Europäischen Union bereits bewiesen haben, dass wir epochale Herausforderungen gemeinsam bewältigen können, und das bestmögliche Fundament für die anstehende, selbstbestimmte Transformation bereits geschaffen wurde.
2. Aus „Angst vor dem Tod begeht unsere Mittelschicht Selbstmord“
Sollten die individuellen und gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Mittelschicht und ihre zukünftigen Generationen durch die Stärkung ihrer Orientierung (mental) nicht bewältigt werden, kann es nach meinen Überlegungen nach dem heutigen Scheidweg wieder einmal dazu kommen, dass eine demokratische Mehrheit aus "Angst vor dem Tod Selbstmord durch die Unterlassung ihres Transformationsbeitrages begeht“:
Die Menschen unserer Mittelschicht und ihre zukünftigen Generationen kommen in einen angstgetriebenen Teufelskreis von ständig steigenden Anforderungen in ihrem Lebensumfeld und nicht ausreichender Anpassungsfähigkeit, die wiederum aus einer fehlenden Bewusstseins- und Verhaltensänderung resultieren, d.h. fehlender Aufbau einer adäquaten Transformationskompetenz. Es droht uns Menschen der Mittelschicht und unseren zukünftigen Generationen im globalen Transformationswettbewerb der Mittelschichten auf dem Weg zur nächsthöheren Bewusstseins- und Verhaltensstufe unserer Zivilisation die führende Position als globale "Pioniere des Wandels" zu verlieren.
"Die Welt wird nicht bedroht von den Menschen, die böse sind, sondern von denen, die das Böse zulassen."
Albert Einstein
Eine nicht ausreichende demokratische Mehrheit mit Bewusstseinswandel und Verhaltensänderung könnte letztendlich eine selbsterfüllende Prophezeiung auslösen, in der aus den bis dahin gefühlten Bedrohungen und Ängsten, und dem damit verbundenen Rückgang des subjektiven Wohlbefindens, die tatsächliche weitere Schrumpfung unserer Mittelschicht beschleunigt wird, und als Folgewirkung einer Destabilisierung unserer Gesellschaft der Wohlstand und das Wohlbefinden tatsächlich abnehmen. Die Mittelschicht könnte dann wieder - wie schon öfters in der Geschichte - zum Steigbügel für die Machtübernahme einer kleine Gruppe werden, die der Mittelschicht weder angehört noch ihre ökologischen, sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Belange ausreichend berücksichtigen wird.
Im Worst Case kann es nach meinen Schlussfolgerungen im Zusammenspiel mit zahlreichen anderen Faktoren sowohl zu einem Untergang der europäischen Demokratien zu Gunsten von Herrschaftsformen kommen, die ausreichend Wahlmöglichkeiten und Freiheiten für das im Menschen eingebaute Streben nach Selbstwerdung (Individuation) nur einer kleinen Anzahl von Herrschenden ohne heimatliche, nationale oder kulturelle Zugehörigkeit und Verbundenheit ermöglicht, als auch zu einem Kollaps der europäischen Zivilisation.

3. Menschen hilft Führung mit Philosophie
Nach meiner Überzeugung gehört es zur originären Kernaufgabe von Führenden, zunächst sich selbst und anschließend den von ihnen geführten Menschen Orientierung zu geben.
Führende aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft, die sich zu dem in der Präambel der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Motiv "Einheit in der Vielheit und die Vielheit in der Einheit" bekennen, müssen in der logischen Konsequenz in dem ihrer Führung zu Grunde liegenden Menschenbild damit den universalen Kern, d.h. den zeitlich und räumlich unvergänglichen Anteil im Menschen, zwecks Orientierung berücksichtigen - wie der Polarstern oder der magnetische Südpol in der Navigation.
Beispielweise spirituell-, esoterisch- oder ideologisch-geprägte Menschenbilder sind wissenschaftlich nicht anerkannt. Geisteswissenschaftliche Betrachtungen wie zum Beispiel Religionswissenschaften sind kulturell abhängig, und Erkentnnisse der Einzelwissenschaften wie die der Psychologie sind für den Gegenstand begrenzt.
Darum sind für ein wissenschaftsbasiertes Bild über den universalen Kern von uns Menschen nach meiner Meinung die Universalwissenschaften besser geeignet. Für die Führungspraxis in Europa ist das Wissen der Theologie in den Fällen nicht anwendbar, wo Führende oder Geführte unterschiedlichen Religions- und Glaubensgemeinschaften angehören bzw. andere Wege zum metaphysischen Wesen in uns Menschen haben. Damit verbleiben für eine universalwissenschaftliche Perspektive auf den universellen Kern des Menschenbilds bei der Führung in vielen Fällen die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Philosophie.
In meinem nächsten Blogartikel schreibe ich darüber, WARUM, WIE und durch WAS Sicherheit, Verlässlichkeit, Stabilität und Orientierung mittels angewandter Glücksphilosophie in Verbindung mit Sustainability Leadership für Führende und Geführte bewirkt werden.